{{title:words:5}} Vom: 7. September 2025 - Update: 11. September 2025 MEHR ERFAHREN...

Gradignan

Un pèlerin elegant

Informationen & Vorteile

Dirk Naumann

Lesedauer: 8 Minuten

Gradignan – Un pèlerin elegant

Im Office de Tourisme von Bordeaux, welches ich auf dem Weg aus der Stadt noch besuchte, waren die Damen so charmant und unterstützten mich bei der Organisation für die nächste Unterkunft, telefonierten mit Herbergen in der Umgebung und koordinierten alles Weitere. Ein toller Service und Luxus, nicht alles selbst recherchieren zu müssen. Die nächste Station hieß Gradignan, nur ca. 15 km südlich von Bordeaux gelegen. Angesichts der erwarteten Hitze war ich froh, keine längere Strecke gewählt zu haben.

In den Räumen des ausgezeichnet organisierten Pilgervereins in Gradignan, traf ich auf Didier, einen französischen Pilger und den dritten der insgesamt drei Pilger, denen ich auf der Via Turonensis begegnete. Etwas überrascht war ich, als ich mir plötzlich eine Herberge mit einem weiteren Gast und Pilger teilen durfte. Denn inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt allein in Unterkünften zu sein. Dennoch freute ich mich, wenigstens für eine kurze Zeit in Gesellschaft zu sein.

Didier, ein ehemaliger Polizist, war ein erfahrener Fernwanderer. Neben vielen langen Touren durch die Welt, war er bereits vier- oder fünfmal nach Santiago de Compostela gepilgert. In diesem Jahr lief er eine frei gewählte Route von Calais, im Norden Frankreichs nach Biarritz, einem schicken Badeort und Surfer Paradies an der Atlantikküste. Er hatte bis zum Zeitpunkt unserer Begegnung ca. 900 km zu Fuß zurückgelegt. Für ihn war ich sogar der erste Pilger, den er auf seinem langen Weg traf. Er bestätigte die Vermutung, dass in diesem Jahr, in Frankreich allgemein, nur sehr wenige bis keine Pilger/ Wanderer unterwegs sind. Und so freuten wir uns beide darüber, zumindest für einige Tage Gesellschaft und Austausch zu haben.

Un pèlerin elegant

„Ah, un pèlerin avec un foulard. Très élégant“.
(„Ein Pilger mit Halstuch / Schal. Sehr elegant.“)

Begrüßte mich Didier mit einem breiten Grinsen, als wir am frühen Morgen von Gradignan nach Le Barp aufbrachen. Dann erzählte ich ihm, was es mit dem Tuch auf sich hatte, welches ich die gesamte Reise, um den Hals trug. Das ich ihm eine neue Bestimmung geben wollte, nachdem es als Souvenir aus Angkor Wat / Kambodscha seit einigen Jahren in einer Kiste lag. Das ich es wie die Guides vor Ort, um den Hals band. Als Sonnenschutz, Schweißband, Schutz vor Staub. Später im Herbst sollte es als zusätzliche Wärmeschicht dienen.

Daraufhin erzählte er mir, dass er „une relation amoureuse mit eine deutsche Fräulein“ unterhielt, wie er es in einer Mischung aus Französisch und gebrochenem Deutsch ausdrückte. So verständigten wir uns die gesamte Zeit über in einer bunten Melange aus Gesten, Französisch, Deutsch und Englisch miteinander. Gemeinsam liefen wir durch die Wälder von Landes nach Le Barp.

Mehr als ein Weg

Didier war ein Phänomen. Jedem, den er traf, begegnete er mit einer unglaublichen Leichtigkeit und war sofort im Gespräch – als ob man alten Bekannten begegnete. „Salut! Bonjour, ca va?“ Manchmal konnte ich es kaum fassen, dass er die Menschen, die wir trafen, das erste Mal sah. Zudem plante er nur selten bis nie seinen Weg. Auf eine Karte verzichtete er komplett – lieber fragte er Passanten nach dem Weg. So kam er mit den Menschen ins Gespräch und erfuhr vieles und noch mehr. Ich hörte aufmerksam zu und lernte.

Und er war mit voller Ausrüstung unterwegs, so auch mit Zelt. Sein Rucksack wog sicher 20 kg. Ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Der eine läuft mit max. 10 kg Ultra-light, ein anderer mit 20 kg, vielen Jahren Erfahrung und voller Ausrüstung. Der eine mit jahrelanger, detaillierter Vorbereitung, Plan und Karte, ein anderer verzichtet bewusst darauf und gewinnt ganz andere Erfahrungen.

Dirk Naumann, geboren und aufgewachsen in Torgau / Sachsen, lebt nach Stationen in Düsseldorf und Monaco heute in München. 2020, während der Pandemie, brach er auf, zu einer mehr als 3.600 Kilometerlangen Pilgerreise durch vier Länder Westeuropas. Zu Fuß, ohne Vorbereitung und Erfahrung. Aus den Notizen dieser Reise entstand ein persönliches Buch, dass gleichzeitig seine Premiere als Autor darstellt.

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Mein Buch: Freigelaufen

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