{{title:words:5}} Vom: 7. September 2025 - Update: 11. September 2025 MEHR ERFAHREN...

Landes

Landes de Gascogne

Informationen & Vorteile

Dirk Naumann

Lesedauer: 10 Minuten

Zauberhafter Heidewald – Landes de Gascogne

Von Bordeaux bis Dax, der nächstgrößeren Stadt im Süden, lagen ca. 150 km durch Westeuropas größtes, jedoch dünn besiedeltes Waldgebiet, Les Landes / Forêt des Landes. Eine Gegend, die fast nur aus licht bewachsenen Pinien, Seekiefern und Heidewald besteht. Manchmal fühlte es sich an, wie ein Traum in violett, wenn es durch die zauberhaft gefärbte Heidelandschaf ging. Kleine, einsame Straßen, unbefestigt, kilometerlang und wie mit dem Lineal gezogen, führten durch diese Landschaft. Von diesen zweigten sandige Wege links und rechts wie ins Nirgendwo. Auf diesen feinsandigen Wegen fühlte es sich an, wie eine mühsame Wanderung am Strand. Zwei Schritte vor, einen zurück. Schnelles Vorwärtskommen war kaum möglich.

Neben der Gesellschaft und sozialem Kontakt mit Didier, freute ich mich auf die Aussicht, durch schattenspendenden Wald laufen zu können. Es war Ende September und noch immer sehr heiß. Kühlender Schatten wäre jetzt genau das Richtige. Es kam anders. Links und rechts der Wege gab es oft einen breiten baumlosen Streifen. Egal, wie die Sonne stand, Schatten gab es hier nur selten.

Am Ortseingang von Belin-Béliet einer kleinen Ortschaft, machten wir Rast, an einem Supermarkt. Wir waren von dieser Etappe auf schattenlosen Wegen und den hohen Temperaturen vollkommen fertig. Der Komfort der kühlenden Klimaanlage im Gebäude, kam genau zur richtigen Zeit. Wir tranken literweise Wasser oder schütteten uns dieses über die Köpfe, dass es gefühlt zischte und dampfte. Es war einer dieser Momente, in denen nichts mehr ging. Die freundliche Leiterin der Pilgerunterkunft holte uns an diesem Supermarkt ab und fuhr uns die letzten 5 Kilometer zur Herberge. Die Herberge, eine Hütte mitten im Wald, direkt an der Kirche zu Mons gelegen, war genau der richtige Ort für zwei erschöpfte Pilger wie wir es waren.

Am nächsten Morgen trennten sich die Wege von Didier und mir leider wieder. Mit neuen Kräften ausgestattet, folgte er seiner freien Route Richtung Atlantikküste und Biarritz, ich meiner, Richtung Ostabat und später nach Lourdes in den Pyrenäen.

Magischer Regenschirm

Neben der Begegnung mit Didier blieb mir der fantastische Heidewald Les Landes aus mehreren Gründen in bleibender Erinnerung. Erst glaubte ich, der Weg würde tagelang, ohne erkennbare Highlights durch diese Landschaft führen. Jedoch ereigneten sich neben Ruhe, Stille und Hitze innerhalb nur weniger Stunden gleich mehrere bedeutende Momente. Momente, die einmal mehr die Weichen für den weiteren Verlauf der Reise stellen sollten. Mitten im Nirgendwo.

Am Morgen, nach dem gemeinsamen Frühstück und kurz bevor sich die Wege von Didier und mir trennten, las ich einen Artikel über Regenschirme, welche für das Wandern geeignet sind. Irgendwie war ich neugierig und wollte irgendwann einmal die Kombination aus Wandern und Wander-Regenschirm ausprobieren. Damit war die Sache für mich erledigt. Nur, was heißt „irgendwann“?

Einige Kilometer später. Motiviert und mit neuem, großem Ziel lief ich auf einer dieser, wie mit dem Lineal gezogenen, Straßen irgendwo im Nirgendwo. Seit Stunden wieder einmal kein Mensch, kein Haus, kein Auto, als ich einige Meter voraus etwas auf der Straße liegen sah. Was soll da schon liegen? Als ich näherkam, erkannte ich zuerst eine schmale Silhouette, danach eine Farbe und dann ein Muster.

Da lag ein neuer Regenschirm auf der Straße! Sogar das Muster passte zu meinem Tuch, welches ich die gesamte Reise um den Hals trug. Völlig irritiert schaute ich in alle Himmelsrichtungen. Ein Test? Verdammt, wo ist die Kamera? Spielt hier jemand ein Spiel mit mir? Mir kam der Artikel über Wandern mit Regenschirm in den Sinn, den ich erst vor wenigen Stunden gelesen hatte.

Transzendente Welt

Willkommen in der transzendenten Welt. Einmal mehr wurde mir bewusst, dass man auf die eigenen Gedanken achten sollte – denn es könnte sein, dass diese gehört und Wirklichkeit werden. Es gibt so viel mehr zwischen Himmel und Erde, so viel mehr, was wir nicht sehen können – und doch ist es da. Für das Universum, für Gott wird es keine Rolle spielen, an welchem Ort jemand seinen Erweckungsmoment erlebt. In der Stille, mitten im Nirgendwo, im lautesten Trubel, unter der Dusche – vollkommen egal. Von oben betrachtet ist alles eins. Ebenfalls wurde mir bewusst, dass ein „irgendwann“ alles bedeuten kann und ein sehr dehnbarer Begriff ist. Es kann „sofort“, „morgen“, „in einem Monat“ oder „in 10 Jahren“ bedeuten. Zeit spielt keine Rolle. Seit diesem Tag bin ich stolzer Besitzer eines schönen und vor allem ganz besonderen, weil magischen Regenschirms.

Nachdem ich nun im Besitz eines neuen, magischen Regenschirmes kam und durch Hitze und Wälder Landes lief, mich in einem kleinen Fluss abkühlen konnte, erreichte ich meine Unterkunft, eine Art Bauernhof mitten im Wald. Als ich das Areal erreichte, wurde ich begrüßt von einer bunten Schar Tiere, bestehend aus Enten, Hühnern und Pfauen. Pferde standen in der Koppel. Ein großer Hund beschnupperte mich und schlich neugierig-hechelnd um mich herum. Ich stellte meinen mit Wasser gefüllten Outdoor-Teller auf den Boden, er trank, danach verschwand er.

Am Abend, nach einem zünftigen Pilgerabendbrot, unter einem Baum, umgeben von stolz umherschreitenden Pfauen und einer Bande laut schnatternder, rebellischer Enten, sprach ich mit Freunden und berichtete von meinem Entschluss, noch bis Lourdes laufen zu wollen und dort die Reise zu beenden. Große Erleichterung auf allen Seiten. Dirk wird vernünftig. In diesen vollkommen unsicheren Corona-Zeiten eine nachvollziehbare Entscheidung, bald die Reise zu beenden und heimzukehren. Irgendwann begab ich mich in meine heutige Unterkunft, eines der großen Tipi-Zelte, die hier standen.

Nächtlicher Beschützer

Es ist Nacht, als ich ein seltsames Keuchen und Knurren um mich herum vernahm. Jemand oder etwas schlich ums Zelt. Wieder und wieder. Die wildesten Gedanken flogen mir durch den Kopf. Ich erinnerte mich an die Geschichten über nicht ausreichend verpacktes Essen und Bären und… Ich war hellwach und saß aufrecht, mit aufgerissenen Augen und wild pochendem Herzen im Feldbett. Bären in Landes! Vor meinem geistigen Auge sah ich sie durch die magische Heidelandschaft springen und an der Zeltwand kratzen. Hastig packte ich meine Verpflegung noch tiefer in den Rucksack um den Geruch, der von meiner Verpflegung ausging „zu verstecken“. Sagen wir es so, dort, wo es wirklich Bären gibt, wäre das die denkbar schlechteste Entscheidung gewesen.

Dann hörte ich es bellen, ganz nah. Nur die dünne Zeltwand stand zwischen den Geräuschen und mir. Der Hund! Es war der Hund, der um das Zelt schlich und „schlimme nächtliche Kreaturen“ fernhielt. Bevor ich wieder einschlief, bemerkte ich, dass er immer wieder in verschiedene Richtungen sprintete und bellte – mal nah, mal fern – dann wieder zum Zelt zurückkehrte. Tiefes Ausatmen. Beruhigt fand ich in den Schlaf.

Am nächsten Morgen, nachdem ich von Hahnenschrei geweckt wurde und das Zelt verlassen hatte, lag der Hund schlafend nur wenige Schritte entfernt vom Tipi. Bevor ich aufbrach, streichelte ich dankbar meinem nächtlichen Beschützer durchs Fell und stellte ihm eine Schale mit frischem Wasser hin. Erkenntnis: Sei gut zu Hunden, dann sind sie gut zu dir – und sie beschützen dich in der Nacht.

Dirk Naumann, geboren und aufgewachsen in Torgau / Sachsen, lebt nach Stationen in Düsseldorf und Monaco heute in München. 2020, während der Pandemie, brach er auf, zu einer mehr als 3.600 Kilometerlangen Pilgerreise durch vier Länder Westeuropas. Zu Fuß, ohne Vorbereitung und Erfahrung. Aus den Notizen dieser Reise entstand ein persönliches Buch, dass gleichzeitig seine Premiere als Autor darstellt.

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Mein Buch: Freigelaufen

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